A Serbian Film - Srpski film (2010)

A Serbian Film - Srpski film (2010)

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  2. 104 Minuten

DVD-Review: Pure Provokation

Milos (Srdjan Todorovic) war einmal ein berühmter Pornodarsteller. Heute ist er verheiratet, hat einen Sohn und versucht Monat für Monat genügend Geld aufzutreiben, um seine Familie über Wasser zu halten. Durch eine alte Bekanntschaft erhält Milos ein merkwürdiges, aber sehr lukratives Angebot, das ihn wieder zurück in die Porno-Branche katapultieren würde. Er trifft sich mit Vukmir (Sergej Trifunovic), dem Kopf des Projektes. Ohne eine Ahnung zu haben, wofür er da eigentlich vor die Kamera tritt, unterzeichnet Milos, des Geldes wegen, den Vetrag.

Bald merkt Milos jedoch, dass es sich bei Vukmirs Film um keinen gewöhnlichen Pornofilm handelt. Vukmir setzt auf Authentizität und lässt Milos immer wieder im Dunkeln tappen. Er wird mit verbundenen Augen an Drehorte gefahren, trifft auf weinende Mütter und gewaltbereite Kameramänner. Immer mehr gerät er in das Netz des widerlichen und selbstverliebten «Kunstfilmers». Die Grenzen von Schein und Sein verschwimmen immer mehr und plötzlich steht Milos vor einem Trümmerhaufen, wie er ihn sich ihn niemals hätte vorstellen können.

Dieser Film wurde im Rahmen der Théatre morbide-Serie angeschaut. Deshalb gibt es auch keine Screenshots, sondern lediglich eine Behandlung des Filmes.

Srdjan Spasojevic hat mit seinem Debütfilm A Serbian Film auf der ganzen Welt für Aufsehen und Aufregung gesorgt. Angefangen hat alles, wie das so oft der Fall ist, im World Wide Web. Ein unbekannter Film aus Serbien, der alle Tabus bricht und in Sachen Brutalität ganz neue Wege gehen soll, machte die Runde. Der härteste, unerhörteste Film war bereits geboren, bevor er überhaupt gesehen wurde. Am Toronto Filmfestival wurde er beschlagnahmt, dem Sitges-Organisator droht eine Klage, weil er den als kinderpornographisch abgestempelten Film aufgeführt hat, und in England wurde der Film von der Polizei eingezogen. Kein Horrorfilm wurde in den letzten Jahren so stark thematisiert und gehypt.

A Serbian Film sollte aber mehr sein, als bloss ein provokativer Horrorfilm mit haarsträubenden Gewaltszenen. Wie bereits der Name des Films sagt, spricht der Regisseur vor allem das eigene Land an. Die politische Problematik, dass Menschen gezwungen werden, etwas zu tun, das sie nicht wollen. Dass sie oftmals aber keine andere Wahl haben, wird hier effektvoll thematisiert. Hass, Rassismus und Gewaltbereitschaft sind in erster Linie universelle Probleme, A Serbian Film stellt diesen Stoff in ein völlig neues Licht. Mit unfassbarer Direktheit versucht Spasojevic die Krankheit unserer Gesellschaft zu zeigen - nicht etwa die Tatsache, wozu ein Mensch fähig sein kann, sondern wozu er getrieben wird, wenn Staat und Recht nicht funktionieren. Dadurch kann A Serbian Film auch nicht als Horrorfilm bezeichnet werden. Wo Hostel und Co. bloss auf Schockmomente und Gore setzen, geht dieses Werk einen intelligenteren und vor allem dramatischeren Weg, sodass die Schlussminuten des Films dann auch wirklich sitzen.

Dennoch muss man Herrn Spasojevic auch Übermut, Überheblichkeit und vor allem übertriebene, beinahe schon lächerliche Provokation vorwerfen. Die wirklich krassen Szenen werden mit peinlichen Dialogen kalt abgeduscht, und gewisse Gorepassagen erinnern an unglaubwürdigen Splatterspass. Hier verschenkt der Film einiges der anfänglichen Intensität, an der man schier zu ersticken droht. Die Schauspieler hingegen leisten hervorragende Arbeit, und auch die musikalische Untermalung gräbt sich tief in die Psyche.

Fazit: A Serbian Film ist ein sozialkritisches Scheusal, ein tabubrechendes, kaum zu verkraftendes Stück Zelluloid; handwerklich und dramaturgisch auf hohem Niveau, jedoch in der Darstellung zu provokativ und effekthascherisch. Die Schockmomente haben zwar ihren Zweck, doch primär sorgen sie für Schweissausbrüche und Kopfschütteln, anstatt auf die Hintergedanken des Regisseurs aufmerksam zu machen. Genau dieser Punkt macht aus A Serbian Film zwar einen guten Torture-Porn-Thriller, aber leider keine Tour de Force, wie man das beispielweise von einem Noé oder Lynch kennt.

Yannick Suter [yan]

Yannick arbeitet seit 2010 als Freelancer für OutNow. Sci-Fi-, Horror- und Mindfuck-Filme sind seine Favorites. Wenig anfangen kann er mit Kostümfilmen und allzu prätentiösen Arthouse-Produktionen. Wer aber etwas über äusserst verstörende Filme erfahren möchte, ist bei ihm an der richtigen Adresse.

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