Als Konrad (Gérard Depardieu) anfängt, Namen zu vergessen und etwas verwirrt zu werden scheint, denkt sich niemand etwas dabei. Er ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Doch als er aus Unachtsamkeit das Ferienanwesen seiner Ziehfamilie, der Industriellen-Familie Senn, für die er mittlerweile als Hausmeister tätig ist, niederbrennt, holt das Familienoberhaupt Elvira Senn (Françoise Fabian) Konrad nach Hause zurück. Weil man den Schein wahren möchte, lässt man ihn, der im Hause Senn aufgewachsen ist, sogar auf dem Anwesen wohnen, nachdem bei ihm Demenz diagnostiziert wird.
Die frisch eingeheiratete Simone Senn (Alexandra Maria Lara), selbst ein wenig Aussenseiterin, kümmert sich fortan um den immer verwirrter werdenden Koni. Keine leichte Aufgabe in Anbetracht dessen, dass Koni oft völlig unkontrollierbar ist, und sie selber mit ihrem untreuen Ehemann klar kommen muss. Je mehr die schleichende Krankheit Konrad das Kurzzeitgedächtnis raubt, um so intensiver scheint er sich an Details der gemeinsamen Kindheit mit dem gleichaltrigen Thomas Senn (Niels Arestrup) zu erinnern - eine Tatsache, die der mächtigen Elvira offensichtlich grosse Angst macht.
Bruno Ciches Verfilmung des gleichnamigen Romans von Martin Suter hat einen schweren Stand neben seinem erfolgreichen literarischen Pendant. Auch wenn es den Machern der Leinwandadaption wichtiger war, die Emotionen des Buches zu transportieren, als sich an Details zu halten, lässt die Geschichte im vorliegenden Werk den gewünschten Tiefgang vermissen. Zwar ist ganz klar ein roter Faden auszumachen, doch fehlen den Zuschauern, die den Roman nicht gelesen haben, wichtige Hintergrundinformationen, um das Ausmass der eigentlich tragischen Geschichte um Konrad vollumfänglich begreifen zu können. Entsprechend kommen die Emotionen auch nicht richtig beim Publikum an, und es bleibt (zu) viel Raum für Spekulationen und offene Fragen. Der Film hätte gerne ein paar Minuten länger dauern dürfen, wenn dafür auf einige Schlüsselszenen (die Szene im Spital, als die Diagnose gestellt wird oder Konrad im Park, als es anfängt zu schneien) näher eingegangen worden wäre.
Trotzdem ist Small World ästhetisches, harmonisches Kino. Mit Gérard Depardieu als Konrad und Alexandra Maria Lara in der Rolle der Simone konnten zwei Schauspieler verpflichtet werden, die den Hauptfiguren ihre ganz eigene Note verleihen, und die die beiden Charaktere mit einer fast unübertrefflichen Authentizität interpretieren. Der Figur der Elvira Senn, gespielt von Françoise Fabian, fehlt dagegen ein gewisses Fünkchen Durchtriebenheit und Bösartigkeit. Trotzdem muss man sagen, dass alle Rollen brillant besetzt sind und völlig miteinander harmonieren.
Unterstützt wird die Meisterleistung der beiden Hauptdarsteller durch eine äusserst homogene Kameraführung, eine schöne Bildgestaltung und eine passende musikalische Untermalung. Das Erscheinungsbild von Small World ist sehr angenehm und kann die inhaltlichen Mängel soweit wettmachen, dass man trotzdem gebannt und neugierig dem Geschehen auf der Leinwand folgt.
Small World ist ein klassischer Fall von Romanverfilmung, bei der man das Buch unbedingt im Nachhinein lesen sollte, um sich anschliessend den Film noch einmal anzuschauen. Erst damit kann man ihn richtig auf sich wirken lassen und viele kleine Details erst so richtig erkennen. Kurz gesagt: ein unspektakulärer Film, der sein Publikum trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - in seinen Bann zu ziehen vermag.