Mary & Max, oder - Schrumpfen Schafe, wenn es regnet
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92 Minuten
DVD-Review: "Sie haben Post".
Die 8-jährige Mary (Stimme: Bethany Whitmore, Toni Collette) wächst am Stadtrand von Melbourne auf. Sie ist eine Aussenseiterin, die Kollegen hänseln sie wegen eines Muttermals auf der Stirn, und so sucht sie sich ihren Trost in Süssigkeiten. Ihre Neugier ist ausgeprägt, und sie will alles wissen. Beispielsweise, wo die Babys herkommen. Da sie weder von ihrer alkoholabhängigen Mutter (Stimme: Renée Geyer) noch vom ständig abwesenden Vater eine befriedigende Antwort erhält, nimmt sie ein Telefonbuch von New York zur Hand und pickt daraus einen beliebigen Namen. Den so ermittelten Adressat, Max Horowitz heisst er, löchert sie per Brief mit ihren Fragen.
Als Max (Stimme: Philip Seymour Hoffman) Marys Brief erhält, hat er zunächst einen mehrtägigen Nervenzusammenbruch. Denn der 44-Jährige leitet unter anderem an dem Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus, und hat Angst vor anderen Menschen. Auch er sucht Trost in Süssigkeiten und ist deswegen so dick, dass er kaum in seine Trainerhose passt. Doch nach dem ersten Schock schreibt er seiner unverhofften neuen Bekanntschaft zurück. Und so entwickelt sich zwischen den beiden Aussenseitern eine tiefe und schicksalhafte Freundschaft - ohne dass sie sich auch nur ein einziges Mal gesehen haben.
In der Kinolandschaft kann man sich grässlich aufregen. In einer Zeit, in der die immergleichen Geschichten, Sequels und Prequels den Markt überschwemmen, muss man froh sein um jede originelle Geschichte, die frisch daherkommt, etwas Neues bietet, den Zuschauer zum Lachen und Weinen bringt. Einen "magischen" Film, der gerne auch länger im Gedächtnis bleiben kann. Ein solcher fehlte in letzter Zeit. Doch dann kam letztes Jahr endlich wieder einer dieser Filme in unsere Kinos und eroberte mit seiner wunderbaren Geschichte und seinem Humor die Herzen der Zuschauer. Die Rede ist von Adam Elliots Mary and Max - einem Film, so schön wie traurig.
Mit mühsamer und nervenaufreibender Kleinstarbeit wurde Mary and Max "hergestellt": Da jede Bewegung der Figuren bearbeitet werden musste, dauerten die Arbeiten am Film ganze fünf Jahre. Ein ganzes Jahr benötige Elliot, um das Drehbuch zu schreiben. Denn ohne eine gute Geschichte wäre die ganze Arbeit sinnlos gewesen, wie er in einem Interview durchblicken liess. Und eine gute Geschichte hat dieser Film wirklich: Obwohl so einfach, begeistert sie mit kleinen, aber feinen Einfällen, die das Gemüt erhellen. Der Humor ist mal schenkelklopfartig, dann mal rabenschwarz und dann wieder ganz feinfühlig. Die Figuren erleiden im Film viele Rückschläge. Aber auf jeden Tiefschlag folgt wieder ein Lacher. Des Zuschauers Gefühle fahren während der ganzen 89 Minuten Achterbahn. Aber am Ende bleibt man mit einem zufriedenen Lächeln vor dem dunklen Bildschirm sitzen. Obwohl das Ende tieftraurig ist, fühlt man sich gut und hat die Gewissheit, etwas Brillantem beigewohnt zu haben.
Gesprochen werden die beiden Hauptfiguren von Toni Collette und Philip Seymour Hoffman. Vor allem Hoffman ist grossartig - wenn es einen Oscar für stimmliche Leistungen geben würde, wäre er ein Favorit.
Fazit: Mary and Max ist eines der wunderschönen Meisterwerke, die es heutzutage beinahe nicht mehr gibt. Adam Elliot hat etwas geschaffen, voran man sich noch Jahre später mit einem Lächeln zurückerinnern wird. Für das gebührt ihm und seinen 120 Mitarbeitern höchster Respekt. So wäre alles andere als 6 Sterne gegenüber diesem witzig-traurigen Film nicht gerecht. Wieso der Film bei den Oscarnominationen links liegen gelassen wurde, wird wohl für immer ein Geheimnis der Academy bleiben.
Die DVD überzeugt mit einem starken Bild und einer dem Film entsprechenden, zurückhaltenden Tonspur. Beim Bonusmaterial wurde auch nicht gespart. Zuerst erzählt uns Elliot in 28 Minuten vieles über die Entstehung des Filmes - ein sehr interessantes Feature. Danach kommen die Sprecher Philip Seymour Hoffman, Eric Bana und Barry Humphries zu Wort. In einem weiteren Extra stellt sich Elliot beim "Festival d'Annecy" den Fragen des Publikums. Abgeschlossen wird die Disc mit dem obligaten Trailer. Eine Disc, die in jedes DVD-Gestell gehört.
Chris Schelb [crs]
Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.