Dancing with the Storms (2009)

Dancing with the Storms (2009)

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  2. 75 Minuten

Filmkritik: Nicht nur Reden übers Wetter

Alles Gute kommt von oben
Alles Gute kommt von oben © Studio / Produzent

Wenn die Wetterprognosen ein so richtig übles Unwetter ansagen, verkriechen sich die meisten Leute in der Stube. Nicht so Christian Matthys. Denn er ist ein so genannter Stormchaser. Fasziniert von der Kraft der Natur und der Schönheit von Wetterphänomenen, genügt es ihm nicht, ein Unwetter nur von zu Hause aus zu beobachten, sondern er will es aus nächster Nähe erleben. So setzt er sich, wann immer er Zeit findet, in sein Auto und macht sich auf die "Jagd" nach Unwettern.

"Mist: Schon wieder geblitzt worden!"
"Mist: Schon wieder geblitzt worden!" © Studio / Produzent

Auch Dominic Blaser und Gregory Käser sind Stormchaser. Während ihr Hobby in den USA schon recht verbreitet ist, geniesst es in der Schweiz noch Exotenstatus. Doch Internet sei Dank können sie sich mit anderen, die ihre Interessen teilen - so auch mit Christian Matthys - austauschen und gelegentlich auch gemeinsam auf Gewitterjagd gehen. Diese erfordert eine akribische Vorbereitung. Die Kenntnis der meteorologischen Vorgänge und die Fähigkeit, eine Wetterkarte zu lesen und zu interpretieren, sind da eine Grundvoraussetzung. Genauso wie die Bereitschaft, an einem Tag nötigenfalls mehrere hundert Kilometer im Auto zurückzulegen. Dabei kann es durchaus auch zu brenzligen Situationen kommen...

Wer - wie die sonst unerschrockenen Gallier aus den Asterix-Comics - fürchtet, dass ihm bei Gewittern der Himmel auf den Kopf falle oder die Welt untergehe, dürfte wohl nur wenig Verständnis aufbringen für das spezielle Hobby von Christian Matthys' und seinen Kollegen. Doch auch wer durchaus fasziniert ist von Gewittern und Stürmen, wird verblüfft sein angesichts der Leidenschaft, mit der diese dem Stormchasing frönen. Übrigens ist dieses Hobby keineswegs, wie man vielleicht denken könnte, eine Domäne für gelangweilte Rentner mit zuviel Zeit. Denn die Interessengemeinschaft der Sturmjäger vereint alle Alters- und Berufsgruppen quer durchs Band.

Deren Leidenschaft lässt sich auch durch O'Neil Bürgis Kamera nicht gross ablenken. Der 28-jährige Filmemacher aus Frauenfeld hat die Stormchaser während einer Sommersaison begleitet und das gesammelte Filmmaterial zu einem 75-minütigen Dokumentarfilm verarbeitet. Und dieser kann sich sehen lassen. Mit einem Naturactionspektakel à la Twister sollte dabei freilich nicht gerechnet werden, dennoch zeigt der Film einige eindrucksvolle Bilder. Gleichzeitig lässt er auch die Hauptfiguren nicht zu kurz kommen und zeigt die Sturmfans, wie sie über ihre Motivation sprechen, dieses ungewöhnliche Hobby auszuführen - das für sie so ungewöhnlich nicht ist. Diese Begeisterung ist denn auch spürbar - lediglich in den gelegentlich eingesetzten Voiceovers wirken die Protagonisten etwas steif.

Bürgi ist übrigens ein filmischer Tausendsassa, fungiert er bei Dancing with the Storms doch als Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann, Cutter, Produzent und gar Verleiher in Personalunion. Die Musik, die im Film eine wichtige Rolle einnimmt, wurde vom erst 20-jährigen Daniel Laufer beigesteuert. Dabei handelt es sich übrigens keineswegs um Synthesizerklänge. Der gesamte Soundtrack wurde von Musikern aus Fleisch und Blut eingespielt. Das ist für einen Film dieser Grösse eher ungewöhnlich, erfüllt aber seinen Zweck ausgezeichnet. So wirkt die Musik als kongeniale Ergänzung zu den Bildern.

Mit Dancing with the Storms beweist O'Neil Bürgi, dass man nicht dem Schweizer Kulturkuchen angehören oder Subventionen kassieren muss, um einen guten Film zu machen. Alleine dafür gebührt ihm Respekt. Doch auch abgesehen davon funktioniert sein Film: Er ist eine spannende Dokumentation über Menschen, die die Macht der Natur hautnah erleben möchten. Empfehlenswert nicht nur für Gewitterfans.

Simon Eberhard [ebe]

Aufgewachsen mit Indy, Bond und Bud Spencer, hatte Simon seine cineastische Erleuchtung als Teenager mit «Spiel mir das Lied vom Tod». Heute tingelt er durch Festivals und mag Krawallfilme genauso wie Artsy-Farts. Nur wenn jemand einen Film als «radikal» bezeichnet, rollt er genervt mit den Augen.

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Trailer Schweizerdeutsch, 03:00