Les témoins (2007)

Les témoins (2007)

Wir waren Zeugen
  1. 112 Minuten

Filmkritik: L'arrivée du SIDA

Ein Bild aus glücklichen Tagen.
Ein Bild aus glücklichen Tagen. © Studio / Produzent

Es ist 1984 und der junge Manu (Johan Libéreau) kommt zu seiner grossen Schwester (Constance Dollé) nach Paris. Er lernt den wohlhabenden Arzt Adrien (Michel Blanc) kennen, der gerne junge Männer um sich hat. Eine Ferienreise ans Meer ist seine Belohnung für die geleistete Gesellschaft.

Im Häuschen in Südfrankreich treffen sie auf das junge Paar Sarah und Mehdi. Sarah (Emanuelle Béart) ist gerade Mutter geworden und schreibt an einem Kinderbuch. Ihr Mann Mehdi (Sami Bouajila) arbeitet bei der Sittenpolizei. In ihrer Ehe gehen sie sehr freizügig mit der Treue um, weshalb Mehdi seine bisexuellen Neigungen auch heimlich mit Manu ausleben kann. Im Kornfeld fallen die beiden übereinander her.

Als Manu an AIDS erkrankt, ist es ein Schock für alle. Während Mehdi ungeduldig auf Testergebnisse wartet, stürzt sich Adrien in die Grundlagenforschung, um dem HI-Virus besser Herr zu werden.

Das HI-Virus geistert zwar immer noch durch die Betten, aber viel von seinen Schrecken ist ihm mittlerweile genommen. Die Medizin hemmt den Ausbruch. Pariser statt Os auf Plakaten sieht man schon lange nicht mehr. Im Minimum ein Gummi drum, ist die allgemein akzeptierte Aktvorbereitung. Vor etwas mehr als zwanzig Jahren war das noch anders. André Téchinés neuester Film blickt zurück in die Zeit als die Immunschwächekrankheit AIDS auftauchte, man wenig über sie wusste und sogar die Haitianer als Risikogruppe betrachtete.

Dies erfährt man aus zeitgenössischen Nachrichtensendungen, welche in Les Témoins im Hintergrund laufen. Die Titel gebenden Zeugen sind Teil eines Freundeskreises, der einen Sommer lang "schöne Tage" erlebt, bevor im Winter "der Krieg" ausbricht und der Frühling sie zum weiterleben zwingt. Die Zwischentitel unterteilen den temporeich geschnittenen Film in drei Teile, in denen ein Epochenwechsel stattfindet. Der AIDS-Tod ist dabei nicht das von Tränen genässte Ende einer filmischen Rührseligkeit, sondern wird eher en passant abgehandelt. Die unbeschwerte Sommerparty, mit der die Geschichte ihren Anfang nimmt, wird wiederkommen im nächsten Jahr. Weniger fidel vielleicht, aber das Leben geht weiter.

Téchiné richtet auch nicht über seine Figuren. Ob Homo-, bisexuell, promiskuitiv oder alles zusammen, sie bleiben liebevoll gezeichnet von blendenden Darstellern. Béart - ständig in gelben Kleidern - konkurrenziert in Sachen Schönheit mit der südfranzösischen Küstenlandschaft. Bouajila ist der Aggressivste im Bunde, aber sein arabischer Hintergrund wird trotzdem nie plakativ eingesetzt. Blanc mimt den besonnenen Lebemann mit Schwäche für Adoniskörper verletzlich aber auch strikt. So machen die Schauspieler aus dem etwas gewöhnungsbedürftigen Rückblick in eine irgendwie fern wirkende Zeit einen sehenswerten Film. In Frankreich wird er von der Kritik gefeiert.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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Trailer Französisch, mit deutschen Untertitel, 01:48