Vier Minuten (2006)

Vier Minuten (2006)

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  2. 112 Minuten

Filmkritik: Piano piano

Jenny von Loeben (Hannah Herzsprung) ist eine Virtuosin am Klavier. Als Kind wurde sie von ihrem ehrgeizigen Vater - sagen wir mal - gefördert. Schon dort fehlte es Jenny an jeglicher Stabilität im Leben. Mit 20 sitzt sie nun in einem Gefängnis als verurteilte Mörderin. Ihre Gefühlsleere und Aggressivität lässt sie auch dort eine Aussenseiterin sein.

Traude Krüger (Monika Bleibtreu) ist weder jung noch aggressiv, und doch teilt die Pianistin zwei Sachen mit Jenny. Einerseits die Liebe zur klassischen Musik, andererseits eine bewegte Vergangenheit. Im zweiten Weltkrieg arbeitete sie als Krankenschwester und verliebte sich in eine angebliche Kommunistin. Später wurde diese hingerichtet. Traude hingegen konnte sich mit Lügen aus dem Verdacht der Sympathisierung retten. Bis heute verfolgt sie dieses Erlebnis und noch immer ist sie unschlüssig, ob sie damals richtig handelte oder nicht.

Spieglein, Spieglein...
Spieglein, Spieglein... © Studio / Produzent

Im Gefängnis treffen die beiden Frauen aufeinander. Jenny meldete sich nämlich für den Klavierunterricht, den Traude interessierten Häftlingen gibt. Doch bereits die erste Begegnung zeigt, wie unberechenbar die Gefangene sein kann. Ihre blinde Aggressivität kostet einen Gefängniswärter fast das Leben. Traude aber nimmt sie trotzdem unter ihre Fittiche. Sie erkennt das grosse Talent der Rebellin und bereitet sie für einen Nachwuchswettbewerb vor. Keine leichte Aufgabe, doch trotzdem scheinen die beiden auch menschlich bald Fortschritte zu machen. Nur, je tiefer die Blicke in ihre Seelen gehen, umso verletzlicher werden die Frauen. Immer wieder entwickeln sich Spannungen, die die Zusammenarbeit zu verunmöglichen scheinen.

Unter der Regie von Chris Klaus ist Vier Minuten nicht etwa ein Musikfilm geworden, sondern ein vehementes Drama. Was die körnigen Bildern zeigen, ist da eigentlich nur spröde Oberfläche. In der Tiefe der hervorragenden Dialoge erschliessen sich die Seelen der beiden Protagonistinnen. Sorgfältig bricht Klaus diese auf, was anhand der bitteren Biographien keineswegs eine angenehme Sache darstellt. Dass man trotzdem am Film dranbleibt ist der provokanten Hannah Herzsprung zu verdanken, und natürlich der exzeptionell spielenden Monica Bleibtreu, die für ihre Rolle den deutschen Filmpreis erhalten hat. In der Kategorie "Bester Film" wies das Drama sogar die Grossproduktion Das Parfüm in die Schranken.

Allen wird der Film indes nicht zugänglich sein: Wer überaus resistent gegenüber einer teilweise fast überfrachteten Dramaturgie ist, und die erneuten Verweise auf die schlimme Nazizeit von Anfang an als abgestandenes Klischee verurteilt, wird bei Vier Minuten unruhig auf dem Kinosessel herumrutschen. Nur käme man auch dann nicht herum, die Leistung der Schauspieler zu würdigen. Die grosse Mehrheit wird es wohl eher so sehen: "Das war der beste deutsche Spielfilm, den ich dieses Jahr gesehen habe". Man darf da ungeniert zustimmen.

/ uas