Grounding - Die Letzten Tage der Swissair (2006)

Grounding - Die Letzten Tage der Swissair (2006)

  1. 120 Minuten

DVD-Review: Vom Flügelstutzen auf wirtschaftlicher Basis.

Die Swissair. Der Stolz einer Nation. Neben dem Heidi und dem Emmentaler ein grosses Symbol eines kleinen Landes. Nie, aber auch gar nie, hätte jemand auch nur zu denken gewagt, dass sich daran jemals etwas ändern sollte. Man liebte die Schweizer Airline, man flog bevorzugt ihre Maschinen und freute sich ab den Schöggelis und den feinen Glaces. Dass diese Luftblase einmal platzen würde, konnte man sich nicht vorstellen. Dass gar einmal alle Flugzeuge der Swissair am Boden bleiben und die Firma so Bankrott gehen würde, dass nicht mal mehr die Hotelrechnungen für die Crews bezahlt werden konnten, war schlichtweg unmöglich. Grounding beweist uns das Gegenteil.

Hast du meinen Föhn gesehen?
Hast du meinen Föhn gesehen? © Studio / Produzent

1992 lehnte das Schweizer Volk den Beitritt zum europäischen Wirtschaftsraum ab und brachte so den damaligen Chef des Unternehmens auf die Idee, sich mit anderen, kleinen Fluglinien (Austrian Airlines, KLM und SAS) zusammenzutun, um sich gemeinsam gegen die Grossen des Marktes zu wehren. Kaum ist dieser Schritt bekannt, macht sich Crossair-Gründer Moritz Suter (Lazlo I. Kish) auf und deponiert "Phoenix". Eine Alternative, welche die Übernahme der Swissair durch die billigere Crossair vorsieht. Die Verhandlungen scheitern, neue Partner werden gesucht und scheinbar auch gefunden. Unter Philippe Bruggisser, dem neuen CEO der Swissair, wird nun alles gekauft, was nicht niet- und nagelfest ist. So soll die Schweizer Nationalfluggesellschaft wieder zu neuem Glanz kommen.

Verbinden sie mich mit der Lufthansa
Verbinden sie mich mit der Lufthansa © Studio / Produzent

Natürlich geht auch dieses Projekt nicht auf und der CEO wird ein weiteres Mal gewechselt. Moritz Suter ist nun dran, schmeisst aber nach kurzer Zeit den Bettel hin. Mario Corti Hanspeter Müller Drossaart) wechselt von Nestlé zu Swissair und versucht, diese wieder auf Vordermann zu bringen. Als Unterstützung holt er die Amerikanerin Jaqualyn Fouse (Katharina Von Bock) an Bord, die ihm helfen soll, dieses Chaos seiner Vorgänger zu entwirren. Ebenso macht ein Aufsteiger von sich reden. André Dosé (Michael Neuenschwander) scheint der Mann der Stunde zu sein, ohne den die Rettung der Swissair nicht möglich wäre. Auch er wird sein wahres Gesicht erst noch zeigen. Steigende Benzinpreise, terroristische Anschläge und der Verlust von Passagierzahlen bringen den kämpfenden CEO in arge Not, aus dem ihm schlussendlich nur noch die wahren Mächtigen dieses Landes helfen können. Die Banken.

Shit, Lüthi & Blanc verpasst!
Shit, Lüthi & Blanc verpasst! © Studio / Produzent

Die UBS in Basel wird von Marcel Ospel (Gilles Tschudi) und seinem Wadenbeisser-Anwalt vertreten, während die Zürcher CS durch Lukas Mühlemann (Rainer Guldener) repräsentiert wird. Zusammen müssen liquide Mittel geschaffen werden, um die immer mehr in finanzielle Not geratene Swissair, aus dem Schlamassel zu ziehen. Doch wo anfänglich ein freundlicher Händedruck war, folgt bald schon das Messer im Rücken. Die Bänker zeigen ihr wahres Gesicht, übertrumpfen sich gegenseitig mit Machtdemonstrationen und vergessen dabei eins total: Die Rettung der Swissair.

Neben all den politischen Machtkämpfen und offenen Anfeindungen zwischen Zürich und Basel, sind da auch noch die persönlich Betroffenen. Der Pilot (Pasquale Aleardi), der zusammen mit der Maître de Cabine (Stephanie Japp) Depositen hinterlegt und sein Geld davonschwimmen sieht. Der Italiener (Enzo Scanzi), der bei seit -zig Jahren bei "Gate Gourmet" arbeitet und nun seinen Job verliert wegen einer Bank, in der sein Sohn (Leonardo Nigro) arbeitet. Diese und viele andere Menschen haben damals, im Oktober 2001 mehr verloren als nur ihren Job.

Ich gebe unumwunden zu: der Film hat mich überrascht, im positiven Sinne. Natürlich wird nicht alles so abgelaufen sein, und ja, das Schwarzweiss von "Gut und Böse" (Ospel ist böse, Corti ist gut, Staat ist naiv) wird in Tat und Wahrheit eher graustufig ineinander verlaufen sein. Dennoch, Grounding ist ein gelungener Wirtschaftsthriller aus Schweizer Landen, stylisch mit Wackelkamera und hohem Schnitttempo der Zeit und etwas Hollywood angepasst. Etwas zu lang ohne Zweifel, die Soapelemente mit dem Alki-Piloten und dem Dope-Kid hätte man getrost streichen können, da hat jemand zu viel Lüthi & Blanc geguckt. Nimmt man diese Szenen raus, ergäbe sich ein extrem straffer und trotz der vielen Charaktere und der feisten Wirtschaftssprache übersichtlicher, nachvollziehbarer Film.

Kurz zu den Darstellern: Hier hat mir ganz besonders Hanspeter Müller als kämpferischer Mario Corti gefallen, oder Michael Neuenschwander als schlüpfrig-schleimiger André Dosé (wer ihn schon in seinen nichtssagenden Tagesschau-Interviews für eine Marionette hielt, wird hier zusätzlich bestätigt werden). Weniger überzeugen kann László I. Kish als cholerischer Moritz Suter. Gilles Tschudi als Oberbänker Marcel Ospel überzieht seine Rolle allzu deutlich. Ebenso Hans Heinz Moser als grossväterlicher Flugimech, der natürlich zu guter Letzt einen Banken bedingten Herzkasper erleiden muss (doofe Rolle!).

Grounding ist ein linkslastiges, spannendes und durchweg mitreissend gemachtes Vehikel wie es Oliver Stone in seinen besten Tagen nicht viel besser hätte an den Mann bringen können. Die eingestreuten Originalaufnahmen aus "Zehn vor Zehn" oder "Arena" sind ein gelungenes Element um den Tatbestand zu untermauern. Einige der Herren (Blocher, Ospel, Toni, Dosé) kommen dabei, in dieser gerafften und klug ausgesuchten Form der Beiträge, nicht unbedingt gut weg. Am beeindruckendsten am Film ist die Vorgeschichte, wie es überhaupt zum endgültigen Schlamassel kam und wie wenig Chancen Mario Corti eigentlich hatte, das Ruder wirklich rumzureissen. Die Swissair war schon vor dem Grounding am Boden! Eine mögliche Fortsetzung müsste ausserdem wie folgt untertitelt sein: Wie sich die Verwaltungsräte um jedwede Verantwortung drücken und den Kopf sowieso aus der Schlinge ziehen.

Also: Wirtschaftselemente minus kitschiges Beziehungsprobleme wälzen = hervorragend! Inklusive dieser Elemente bleibt immer noch ein recht überzeugender Film.

Extras: Die 2-DVD-Edition bietet rund 2 Stunden an Bonusmaterial. Von dokumentarischen, historischen Aufnahmen über Aussagen von Zeitzeugen und Zeitdokumenten aus dem TV zum Grounding, es wird einiges für das Debakelinteresse getan. Der Clou wäre natürlich die Einbindung des kürzlich ausgestrahlten DOK-Beitrags von SF zum Thema gewesen, so hätten auch noch andere Ansichten Platz gefunden. Bildlich ist der Transfer mit das Beste was ich von einem Schweizer Film bisher gesehen habe. So macht einheimisches Heimkinoschauen Spass. Auch die Tonspur weiss zu überzeugen, dabei sind vor allem die Flugzeugeffekte in und um den Flughafen gelungen (man guckt schon mal fragend über die Schulter oder gen Fenster).

/ pb

Kommentare Total: 63

El Chupanebrey

Ist mir vielleicht etwas schräg reingekommen, gebs ja zu. Ich habe auch etwas übermotiviert geschrieben. Einiges davon würde ich auch nicht wiederholen. Ich wollte auch niemanden beleidigen. Ich mochte den Film einfach nicht. Wenn andere Leute ihn gut finden, dann kann ich damit leben.😊

pb

Zitat siamolo (2007-12-12 09:40:46)

ich seh grad das ich den film ausgezeichnet fand 😉

ja, man ist manchmal selber von sich überrascht... geht mir auch immer wieder so. 😉

siamolo

ich seh grad das ich den film ausgezeichnet fand 😉

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