Der 11-jährige Tommaso (Alessandro Morace) hat es nicht leicht. Schwester Viola (Marta Nobili) ist frühreif und neckt ihn mit ihren Doktorspielen. Der allein erziehende Vater Renato (Kim Stuart Rossi) schwankt zwischen Superpapi und jähzornigem Grobian. Finanziell steht die dreiköpfige Familie in ihrer Dachwohnung in Rom nicht speziell gut da. Die Mutter der Kinder (Barbora Bobulova) wurde deshalb vom Vater bereits zum Teufel gejagt. Auch in der Schule hat Tommaso nur wenige Freunde. Sein Hobby ist es, aufs Dach zu klettern, um die Aussicht zu geniessen und manchmal Angriffe mit einer Steinschleuder auf seine Nachbarn zu lancieren.
Als die Mama als ein Häufchen Elend eines Tages wieder vor der Tür steht, wird sie unter grossem Tränenvergiessen wieder in der Familie aufgenommen. Doch Tommaso weiss nur zu gut, dass sie nicht lange bleiben wird. Ausserdem schwillt ein Streit zwischen seinen Vater und ihm, über seine sportliche Laufbahn. Schwimmunterricht steht bereits auf dem wöchentlichen Stundenplan, aber Tommaso will lieber tschutten…
Kinder werden immer schneller erwachsener. Das muss auch Tommaso im Regiedebut des Schauspielers Kim Stuart Rossi spüren. Die eine oder andere kennt Rossi vielleicht noch als Schönling Romualdo aus der italienischen Märchenschnulze Fandangó. In seinem beeindruckenden Debut als Regisseur, für das er gleich auch noch am Buch mitschrieb und eine Schlüsselrolle übernehmen musste, nachdem Sergio Robini verhindert war, gibt er sich mit Bart äusserst uneitel. Und ein regelgerechter Sympathieträger ist dieser Renato auch nicht geworden. Zusammen mit dem kleinen Tommaso, merken wir, da ist was faul im Staate Dänemark.
Das erste Mal Zeter und Mordio schreit Renato, als sein Sohn die Schule fast verschläft. Noch nimmt man es als normal hin. Schliesslich hilft Lautstärke beim Wecken. Erst später bei einem Arbeitsbesuch des Freelance-Kamermannes, wo es um Geld geht, wird klar, dass er sich nicht richtig im Griff hat. Seine laute, mit Schimpfwörtern durchsetzte Sprache hat System. Er ist überfordert - auch in der Kindererziehung. Genau wie die Mutter von Tommaso, von der wir zuerst nicht einmal wissen, wo sie steckt. Als sie dann unverhofft auftaucht, ist man zuerst auf ihrer Seite. Doch viel besser als der Papa ist sie auch nicht.
So entsteht in Anche Libero va bene ein Einblick in eine Familie mit überforderten Eltern aus der Kinderperspektive. Es ist ein Film mit einem Kind in der Hauptrolle, aber trotzdem kein Kinderfilm. Im Zentrum steht die Vater-Sohn-Beziehung. Wie oft beim Männerfilm wird's latent frauenfeindlich. Die schwierigen Themen sind aber gut getroffen und nicht immer merkt man, wie das Drehuch als nächstes verläuft. Nur eines ist klar Alessandro Morace als Tommaso, der ein bisschen an den Jungen in La Guerra di Mario erinnert, muss Entscheidungen treffen, für die er noch viel zu jung ist. Dabei wird sogar der erste Schulschatz zum Problem. Doch niemand hat behauptet, erwachsen werden sei einfach.
Roland Meier [rm]
Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.