Filmkritik: Das Schreien der Mönche

Kennsch dä Harry Hasler au?
Kennsch dä Harry Hasler au? © Studio / Producer

Zwei Männer sind im Auto auf dem Weg nach Italien. Der Blues aus dem Ghettoblaster von Polo (Polo Hofer) versinnbildlicht die Stimmung im Wagen. Man hört Polos neuestes Album. Der Tonmeister hat die Aufnahme aber so unausgeglichen abgemischt, dass die Eroberung des Weltmarkts mal wieder scheitert, bevor sie richtig begonnen hat. Der Schauspieler Max (Max Rüdlinger) ist auch nicht besser drauf. Bei der Wohnungssuche ist er als Mime noch schlechter gestellt als die Albaner und das einheimische Filmschaffen produziert seiner Meinung nach nur «RiffRaff-Montagmorgen-Matinée-Scheisse». Dabei gedeihen in Maxs Kopf die prächtigsten Filmideen. Ein afrikanisches Wüstendrama soll es werden: mit schönen Eritreerinnen, beigen Jeeps und Micheline Calmy-Rey, die eigenmächtig für das Happy-End sorgt.

Mit dieser Idee wollen die beiden beim Regisseur Klopfi (Clemens Klopfenstein) hausieren gehen. Sie könnte zum Sequel von Das Schweigen der Männer ausgebaut werden. In Umbrien angekommen, stossen die beiden Berner Loser aber auf einen wenig begeisterten Klopfi. Ohne Lust beim Bund Formulare einzureichen für Max' Mainstream-Projekt, will er lieber sein antikapitalistisches Klosterdrehbuch realisieren. Max und Polo werden sogleich zu Testaufnahmen für die Rolle vom Franz von Assisi genötigt.

Die Süddeutsche Zeitung nennt Die Vogelpredigt im gleichen Satz mit The Blair Witch Project - und der Vergleich hinkt nur bedingt. Sowohl in Clemens Klopfensteins Bauchnabelschau zur Schweizer Filmszene als auch dem amerikanischen Kassenschlager verirren sich Filmamateure im Wald und wenn das spärliche Tageslicht nicht mehr ausreicht für die Videokamera, wird mit Taschenlampen in die Gesichter der Darsteller gepfunzelt. Die Parallelen gehen noch weiter. Rüdlinger, Polo «National» und Klopfenstein spielen sich selber, wie die drei Studis aus dem US-Horrorfilm. Mit Ursula Andress, die heilige Mutter Gottes im Film, ist ein PR-Coup gelungen, der fast an das Getöse um die Blair Hexe im World Wide Web vor ein paar Jahren erinnert.

Die Selbstironie in den Bezügen zur CH-Filmszene mag Tarnung sein, damit der etwas seltsame Plot nicht allzu lächerlich wirkt. So treffen Polo und Max immer auf dieselbe jungen Frau (Sabine Timoteo), die einer Kassiererin der Migros beim Bubenbergplatz in Bern ähnelt. Max hat auch einmal Sex mit der schlicht «Cumulus» genannten Frau in einer Traumsequenz, die Fans von Young Adam Freude machen wird. Nicht, dass man ein Schnäbi zu sehen bekommt, aber Ketchup findet mal wieder Verwendung beim Liebesakt. Ich vermute aber, dass es hier Blut darstellen soll. Doch wenn Clemens auf die Frage, warum er nicht Gedichte schreibt, statt kopflastige Filme zu produzieren, erwidert, es gäbe halt keine Eidgenössische Lyrikkommission, kann man dem Film nicht richtig böse sein.

Die Vogelpredigt ist durch und durch schweizerisches, möglichst billig produziertes Kino und hat teilweise sogar das Zeug zum Kult. Es ist sozusagen der erste M-Budget Film. Gegen Premium-Kino wie die Episode 3, welche am gleichen Tag startet, wird er sich nicht durchsetzen können, aber mehr zu Lachen als bei ähnlichem CH-Trash wie The Ring Thing gibt es allemal.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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