Die Zeit ist reif für den ersten deutschen Kung-Fu-Film. So denkt der türkischstämmige Secondo Ibo (Denis Moschitto) und sieht sich als grosser Verehrer von Bruce Lee auch gleich als der geeignete Mann fürs teutonische Handkantenkino. Ein Hamburger Filmproduzent sieht das ganze freilich ein bisschen anders. So bleibt Ibo nur die Auftragsarbeit für seinen Onkel (Hasan Ali Mete), der sich mit einem Kinospot neue Kundschaft für sein Lokal «The King of Kebab» erschliessen will. Ibo nutzt die künstlerische Freiheit und sein blutiger Kurzfilm wird ein durchschlagender Erfolg. Ibo ist der Shootingstar im Schanzenviertel und alle wollen Döner vom King of Kebab.
Ibos Freundin Titzi (Nora Tschirner) kann sich aber nicht so richtig freuen. Der Grund ist ungefähr fünf Zentimeter gross und wächst in ihrem Bauch heran. Die Schwangerschaft durchkreuzt nicht nur ihre Pläne für die Schauspielschule, auch Ibo kommt nicht richtig klar mit der neuen Situation. Titzi verlässt ihn, weil er wegen dem Kind nicht auf seine Karriere als Regisseur verzichten will. Ibos Papa sieht auch rot. Hat er seinem Sohenmann doch jahraus, jahrein eingebläut, dass deutschen Mädchen nicht geschwängert werden. Kurzerhand wirft er Ibo aus der Wohnung. Ob es trotz der Sippenschande noch was wird mit dem ersten Martial Arts Film - Made in Germany?
Sollen die Deutschen Kung-Fu-Filme drehen? Warum eigentlich nicht? Dass sie es könnten, zeigen die ersten zehn Minuten von Kebab Connection. Den Schwerterkampf um ein allerletztes, handtaschengrosses Kebab inklusive Serviettenregen hätte John Woo in seinen besten Tagen nicht besser hingekriegt. «Für zwei Handvoll Döner» heisst der familiär finanzierte Werbespot für die Dönerbude vom Onkel. Der ist so spassig, dass ich mich erst beim zweiten Mal Kebab Connection gucken, auf die eigentliche Geschichte konzentrieren konnte, die sich danach entwickelt. Beim ersten Kinobesuch wollte ich mehr Kung-Fu sehen, und hab dann vor Ärger, weil da nichts mehr kam, gleich mal den Einstieg verpasst.
Die Geschichte vom Secondo-Pärchen, das ein Kind bekommt, ist zwar auch okay, hat aber dasselbe Problem wie die Fussball-EM 2004 in Portugal: Es sind einfach zu viele Griechen im Spiel. Der eigentliche Kulturkrieg in Kebab Connection ist nicht der deutsch-türkische, sondern der griechisch-türkische zwischen Döner und Gyros. Denn mit einer wie der Titzi, die Nora Tschirner mit Chuzpe spielt, kann auch die prinzipientreueste türkische Familie nicht wirklich böse sein. Die Frage, ob die Deutschen Culture Clash-Komödien wie Bend it like Beckham machen sollen, muss man deshalb verneinen. Der witzigste Mann im Cast ist Güven Kirac als Vater Mehmet. Ein türkischer Schauspieler, der kein Wort Deutsch kann und alle seine Dialogzeilen beeindruckend gut auswendig gelernt hat. Der ist zum Schiessen. Die anderen Südeuropäer, allen voran die drei Mafiosi, sind nur überdreht oder hässlich, oder beides zugleich.
Ko-Autor Fatih Akins Einfluss ist spürbar bei der Geschichte und der Besetzung. Mit seinem Bruder Cem Akim, Adam Bousdoukos, dem «Jesus» aus Kurz und schmerzlos, und Sibel Kekili spielen einiger seiner Kumpanen mit. Ibo ist zudem leicht als Akins filmisches Alter Ego zu erkennen. Was der Gegen die Wand-Regisseur wohl aus der Geschichte gemacht hätte? Die Filmzitate, die von Bruce Lee bis Sergei Eisenstein reichen, hat aber auch Anno Saul ziemlich gut hingekriegt.
Fazit: Ein knackig witziger Film mit überraschend scharfen Actionszenen, dessen dramaturgische Füllung qualitativ besser hätte sein können, um es mal in der Dönerbudensprache zu sagen. Das Filmende kann man sich denken: Nora Tschirner sieht auch als Braut blendend aus und alle haben sich wieder lieb.
Roland Meier [rm]
Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.