Roger Federer mag in die Tennispension gegangen sein, der Tennissport erfreut sich dennoch weiterhin grosser Beliebtheit. Doch gerade im Gaming-Bereich herrscht, was Tennis angeht, eine ziemliche Flaute. Kein neues «Top Spin» und auch kein «Virtua Tennis» ist in Sicht. In diese Lücke springt nun Tennis On-Court und verspricht nicht weniger als die ultimative Tennis-Simulation in VR. Und wer möchte sich nicht einmal wie Roger Federer, Martina Hingis, Belinda Bencic oder Stan Wawrinka fühlen und unter den Blicken einer begeisterten Zuschauermenge den Ball zum Sieg übers Netz schmettern?
Auf dem Platz macht das Spiel einiges richtig. Die grundelgende Steuerung geht schnell intuitiv von der Hand, wodurch auch Laien bald schon spassige Ballwechsel erleben. Grafisch kommt das alles aber furchtbar altbacken daher und reizt die Möglichkeiten der neuen VR-Headsets nicht ansatzweise aus. Solospielern wird zudem nur wenig Abwechslung geboten. So ist Tennis On-Court ein Spiel mit einem vielversprechendem Kern-Gameplay, das aber in der Umsetzung mehr wie eine umfangreiche Demo als wie ein fertiger Titel wirkt.
Ja, man kann mit Tennis On-Court eine Menge Spass haben. Die Matches auf dem Court spielen sich durchwegs flott und intuitiv und lassen so viele der anderen Makel für die Dauer eines Games vergessen. Wie im echten Leben schwingt man das Racket mit seinem Arm, ein- oder zweihändig, kann dabei sowohl Slice, Volley, Vorder- oder Rückhand spielen. Schlagwinkel und Schlagkraft entscheiden darüber, ob ein Ball im Feld oder im Aus landet. Und wie im richtigen Tennis muss man beim Aufschlag den Ball zuerst manuell in die Luft werfen, um ihn dann aus der Luft ins gegnerische Feld zu preschen. Das fühlt sich nicht nur realistisch an, es spielt sich auch grösstenteils wirklich toll, und die Schlag- und Ballphysik wissen zu überzeugen.
Zudem bietet Tennis On-Court zahlreiche Möglichkeiten, das Spiel auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Neben verschiedenen Schwierigkeitsgraden, den beiden Spielstilen «Arcade» und «Simulation» und mehreren Assist-Optionen fallen dabei vor allem die Bewegungsoptionen positiv ins Auge. So kann man zwischen drei Bewegungsarten wählen: Bei «Teleport» wird man automatisch bei der Annahme eines gegnerischen Balles an eine vom Spiel ausgewählte Idealposition hinteleportiert und braucht dann nur noch das Racket entsprechend zu schwingen. Das ist einerseits zwar gewöhnungsbedürftig, bringt aber andererseits eine ganz eigene Herausforderung mit sich, da man jeweils in Sekundenschnelle die richtige Schlagtechnik antizipieren muss.
Schon sehr viel intuitiver fühlt sich die Bewegungsoption «Automatisch» an. Hierbei bewegt sich der eigene Spieler jeweils ganz automatisch wie auf Schienen an die vom Spiel gewählte Idealposition, wobei es für Spielerinnen und Spieler auch möglich ist, über den rechten Stick manuell einzugreifen und die Position nach eigenem Gutdünken anzupassen. Mit einer zusätzlichen Taste kann man zudem angeben, ob man sich eher defensiv oder offensiv (also nahe am Netz) positionieren will. Wir bevorzugten dann aber doch die manuelle Steuerung, wo wir mit dem rechten Stick unseren Spieler komplett selber steuerten.
Für Laien gibt es ein Tutorial, das nicht nur Schritt für Schritt die verschiedenen Spielmodi sowie die Steuerung näherbringt, sondern auch noch gleich die klassischen Schlagtechniken wie Volley, Vorder- oder Rückhand beibringt. Letzteres ist allerdings eher mässig gelungen. Zudem gibt es noch fünf Trainingsmodi, in denen man übt, den Ball gezielt in einen bestimmten Bereich des gegnerischen Feldes zu schiessen, das farbig angezeigt wird. Das ist alles recht rudimentär gehalten und hält kaum länger als ein paar Minuten bei der Stange.
Auf einen Karrieremodus wurde leider komplett verzichtet. Stattdessen gibt es neben dem immer gleichen Einzelmatch gegen den immer gleichen KI-Gegner noch den Turniermodus, in dem man nacheinander in einer Art Welttournee fünf Matches bestreitet. Wer hier auf eine schöne Inszenierung hofft, wird allerdings enttäuscht. Schlussendlich sind es einfach fünf karg inszenierte Einzelmatches gegen immerhin unterschiedliche KI-Gegner. Ja, auch die Stadien unterscheiden sich ein bisschen. Sechs verschiedene gibt es. Bei dem einen ist der Belag blau, beim anderen violett, bei einem Stadion prangt im Hintergrund eine Art Zeltplane gegen den Himmel, anderswo hängt eine grosse Leinwand da, und die Tribünen sind etwas anders angeordnet. Letztlich kommen aber alle sehr lieblos und detailarm daher.
Abseits des Courts lässt sich noch der eigene Avatar individualisieren und mit bis zu 13 unterschiedlichen Schlägern ausrüsten. Im Onlinemodus tritt man in Einzel- oder Doppel gegeneinander an - wie gut das technisch funktioniert, konnten wir leider nicht testen.
Die Gegner-KI hat sich uns in den beiden Schwierigkeitsgraden «Normal» und «Easy» als etwas flatterhaft präsentiert. Vor allem im einfacheren der beiden Modi kommt es schon mal vor, dass der Gegner, obwohl der Ball in der Nähe von ihm aufkommt, einfach reglos stehenbleibt oder sogar dem Ball aktiv aus dem Weg geht. Solche Momente zerren zwar etwas an der Immersion, machen aber den grundsätzlichen Spielspass auf dem Feld nicht zunichte, vor allem weil die Gegner die meiste Zeit durchaus fordernd auftreten.
Grafisch präsentiert sich Tennis On-Court nicht von seiner Schokoladenseite. Stadien als auch Charaktermodelle sind allesamt lieblos und detailarm gestaltet. Auch die Qualität der Spieleranimationen lässt zu wünschen übrig. Insbesondere in den recht häufigen Spielwiederholungen treten diese technischen Mängel jeweils überdeutlich in Erscheinung. Immerhin jubelt das Publikum schön mit oder buht nach einem blöden Doppelfehler, so dass schon ab und zu so etwas wie Live-Atmosphäre aufblitzen mag.
Es ist gar nicht so leicht, ein eindeutiges Fazit zu Tennis On-Court zu ziehen. Einerseits sind da der magere spielerische Inhalt und die altbackene visuelle Umsetzung, andererseits machen die Tennismatches auf dem Court echt eine Menge Spass. Mehr technischer Feinschliff und ein zumindest ordentlicher Karrieremodus hätten das Spiel zu einem richtig tollen Titel machen können. So wirkt es ein bisschen, als spiele man eine umfangreiche Demoversion eines durchaus vielversprechenden Titels, der sich grade noch in der Entwicklung befindet. Schade.
Pascal Gut [gut]
Pascals Faszination gehört seit jeher dem Geschichtenerzählen in all seinen mannigfaltigen Formen und Ausprägungen. Schon früh hat er eine Leidenschaft fürs Schreiben entwickelt und tobt sich seither in unterschiedlichsten Projekten als freier Autor aus.