Stellt euch vor, ihr wacht ohne Erinnerung und völlig alleine auf einem fremden Planeten auf. Ausser einigen Hinweisen in eurem Tagebuch seid ihr völlig ratlos, was ihr hier tut. So beginnt das Weltraumabenteuer der Biologin Dr. Yasna. Nach einer Weile findet sie heraus, dass sie Teil einer Expeditionscrew ist, die den unbewohnten Planeten Regis 3 untersuchen sollte. Auf der Suche nach ihren verschollenen Teammitgliedern entdeckt die Wissenschaftlerin, dass Regis 3 nicht ganz so unbewohnt ist, wie die kargen Wüstenlandschaften zu Beginn vermuten liessen.
The Invincible basiert auf den gleichnamigen Sci-Fi-Roman des polnischen Autors Stanislaw Lem aus dem Jahr 1964. Obwohl sich das Spiel einige Freiheiten in der Interpretation des hintergründigen Werkes nimmt, dürften Kenner der Vorlage mit der Geschichte schnell vertraut sein. Alle anderen tauchen erst einmal in eine retrofuturistische Welt ein, die im Design der 1960er-Jahre gehalten ist und eine rund achtstündige Odyssee über einen vermeintlich toten Planeten bietet.
The Invincible ist in der Theorie ein spannendes Spiel. Sowohl die philosophisch angehauchte Story als auch die Spielwelt würden viel Potenzial bieten. Leider wird beides kaum genutzt und mit viel zu spartanischem Gameplay unterfüttert. Damit verkommt das Weltraummysterium zu einem in die Länge gezogenen Spaziergang durch die Dünen der Tristesse.
The Invincible ist im Kern ein «Walking Simulator»: Wir steuern Yasna über den ziemlich linear gehaltenen Planeten, interagieren mit einzelnen Objekten in der Umgebung und lauschen der Geschichte. Diese wird hauptsächlich erzählt durch Funkgespräche zwischen Yasna und dem Astrogator - dem Koordinator der Mission, der sicher und bequem im Raumschiff im Orbit hockt. Ergänzend dazu finden wir Spuren einer vergangenen Expedition, die ebenfalls Hinweise auf das Geheimnis von Regis 3 bieten.
Mancherorts können Spielerinnen und Spieler während der Gespräche Entscheidungen treffen, die das Ende der Geschichte beeinflussen. Dadurch entsteht ein gewisser Wiederspielwert - in der Theorie. Denn viele Entscheidungen haben rein kosmetische Folgen und nur wenige tatsächlich einen Einfluss auf den Ausgang von The Invincible. Stanislaw Lems Romane schlagen eine ruhigere Gangart ein als viele andere Sci-Fi-Bücher, darum darf hier auf keinen Fall ein Action-Fest erwartet werden. Ganz zufriedenstellend verläuft die Geschichte in der Spiel-Version trotzdem nicht. Angedeutete Dinge werden nicht zu Ende erzählt, und dem Erzählfluss fehlt das nötige Tempo.
Yasnas Martyrium durch die trostlosen Schluchten und Ebenen von Regis 3 übertragen sich auch auf die Spielerinnen und Spieler. Im negativen Sinne. Zwar gaukelt das Spiel vor, den Planeten abseits der Pfade erkunden zu können, oft führen abzweigende Wege aber genauso ans Ziel wie der Hauptpfad, ohne etwas Nennenswertes zum Entdecken zu bieten. Allgemein ist die Welt von Regis 3 erschreckend leer und langweilig. Dass sich die Umgebungen von Anfang bis Ende kaum variieren, verstärkt dieses Gefühl der Eintönigkeit.
Und weil Dr. Yasna zu der langsameren Sorte Wissenschaftlerinnen zählt, die nach wenigen Metern Rennen ausser Puste gerät und fortan im gemächlichsten aller Tempos über den Wüstensand stapft, lässt den Erkundungstrip vollends zur Geduldsprobe werden. Später steht uns zwar ein Rover zur Verfügung, mit dem wir durch die Prärie tuckern können, dem zähflüssigen Spielverlauf hilft das aber nur bedingt.
Das liegt auch daran, dass The Invincible Gameplay-mässig kaum Fleisch am Knochen hat. Mehr als Türen zu öffnen, Objekte zu betrachten und an fest vorgegebenen Punkten zu klettern gibt's nicht zu tun. Keine Rätsel, keine spielerische Herausforderungen, nichts. Das liegt zu einem Teil am Genre dieses Spiels, tatsächlich sind aber viele andere dieser Art einfach besser und interessanter gestaltet. Weder erreicht es den emotionalen Siedepunkt eines «What Remains of Edith Finch» oder «Firewatch», noch eine Komplexität wie bei Deliver us the Moon. The Invincible fühlt sich durch seine gesamte Spielzeit hinweg an, als würde es - analog zu seiner Hauptfigur - nie richtig in die Gänge kommen.
Auch in technischer Hinsicht leistet sich das Spiel einige Schnitzer. Die an sich gut vertonten englischen Dialoge überlappen sich teilweise - oder werden gar nicht abgespielt. Und obwohl wir emsig an den Lautstärke-Reglern herumgespielt haben, bekamen wir keinen zufriedenstellenden Tonmix hin. Der Astrogater war streckenweise so leise, dass seine Stimme in den Umgebungsgeräuschen komplett unterging und wir uns auf die Untertitel verlassen mussten.
Zudem leidet die hübsch gestaltete Retro-Welt unter aufploppenden Texturen und einzelnen Glitches, und die Übersichtskarte ist unnötig verschachtelt gestaltet. Unnötig sind auch die Hilfsmittel, die Yasna zur Verfügung stehen. Gadgets wie Feldstecher oder Umgebungsscanner sind zwar spassig gestaltet in ihrem Retro-Design, fürs Spiel aber abgesehen von einigen wenigen Momenten komplett obsolet.
Chris Bucher [chb]
Chris ist ein Luzerner Filmemacher, Journalist und leidenschaftlicher Gamer. Er mag alles, was mit Horror zu tun hat. Seine Devise lautet: Je morbider, desto besser. Für OutNow schreibt er seit 2019 regelmässig Reviews. Er hat eine Schwäche für alte Dinosaurierfilme.