Pokémon Violet (2022)

Pokémon Violet (2022)

Pokémon Purpur
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Switch-Review: Enttäuschung ist violett

Pokémon: Street Parade
Pokémon: Street Parade © Nintendo

Erst vor kurzem sind wir in die Paldea-Region gezogen. Die ans echte Spanien angelehnte Welt steckt voller neuer Herausforderungen, Geheimnissen - und natürlich Pokémon. Kaum haben wir uns für einen Starter entschieden, taucht die ehrgeizige Nemila auf - die Klassensprecherin unserer Klasse und Pokémon-Champ. Sie nimmt uns mit an die Schule, wo wir auf Pepper treffen, einen melancholischen Jungen, der nach heilenden Gewürzen sucht, und auf Cosima, ein scheues Mädchen mit Evoli-Rucksack. Ausserdem kreuzen wir die Wege mit Vertretern von Team Star, die regelmässig Schülerinnen und Schüler belästigen, der zwielichtigen Organisation beizutreten.

Dann folgt bereits die grosse Projektarbeit an der Schule: Finde einen Schatz. Doch was für einen Schatz? Dies ist der Schülerinnen und Schülern überlassen. Pokémon-Champ werden? Team Star bezwingen? Grosse, mysteriöse Monster besiegen? Oder sogar in den gefährlichen Schlund von Paldea herabsteigen? Spielt keine Rolle, denn auf unserem Kameraden Miraidon (Koraidon in Karmesin) erkunden wir die mediterrane Region.

Wir könnten uns Karmesin und Purpur ärgern: Pokémon Legends Arceus war auf dem richtigen Weg, Scarlet und Violet enttäuschen nun fast durchs Band. Die fast unglaublich schlechte Technik mit katastrophaler Weitsicht und niedrigem Detailgrad sowie die seltsam strukturierte Pseudo-Open-World ruinieren die erfrischend neue Geschichte und die lässigen neuen Pokémon. Und trotzdem unterhält die neunte Pokémon-Generation, da die uralte Formel auch nach 25 Jahren noch zu ziehen scheint.

Der etwas andere Pokéball.
Der etwas andere Pokéball. © Nintendo

Das dritte Pokémon-Game in knapp zwölf Monaten hat Grosses vor. Zum ersten Mal spielt ein Hauptspiel der Reihe komplett in einer offenen, frei begehbaren Welt. Anfang Jahr gab Arceus den Takt vor, wo dieses Konzept gut funktioniert hat. Leider hinderte da die Technik das Spiel daran, richtig toll zu sein. Dasselbe gilt nun für Pokémon Violet (respektive Karmesin), doch auch sonst lässt die neunte Pokémon-Generation einiges zu wünschen übrig.

Grundsätzlich bleibt Pokémon Pokémon. Man verlässt das traute Heim, wählt einen Starter, trifft die Rivalin und rennt dann durch die Region, um Arenaorden zu sammeln, Pokémonkämpfe auszutragen, den Pokédex zu füllen und einer Schurkengruppe das Handwerk zu legen. An dieser Struktur hat sich nicht viel geändert, und sie funktioniert auch immer noch gleich gut wie vor 25 Jahren. Pokémon Violet tut aber gern so, als habe man die totale Freiheit. Die offene Welt sei frei begehbar und die Ziele - wie Champ werden oder das böse Team Star besiegen - seien frei wählbare Missionen. Doch beides sind arge Trugschlüsse.

Was hats da drüben? Ah ja, nichts…
Was hats da drüben? Ah ja, nichts… © Nintendo

Denn die offene Welt ist nicht frei, unser Gefährt namens Miraidon (oder Koraidon in Karmesin) lernt gebunden an andere Ereignisse neue Fähigkeiten, die nötig sind, um alle Arenen zu erreichen. Und Team Star muss besiegt werden, da dessen Camps immer wieder den Weg zum nächsten Missionsziel versperren. Diese Systeme sind eng ineinander verzahnt, was an sich kein Problem wäre, wenn das Spiel nicht so darauf rumreiten würde, total offen und frei zu sein.

Apropos rumreiten: Kurz nach der Einführungsphase können wir auf Miraidon reiten und die Welt erkunden. Das wäre an sich eine gute Sache, wenn da die nicht absolut katastrophale Weitsicht wäre. Wilde Pokémon erscheinen nur in kurzer Sichtweite und verschwinden im dümmsten Fall wieder, wenn man zu weit an ihnen vorbeifährt. Das zerbricht jegliche Motivation, die Welt zu erkunden. Denn das an Spanien angelehnte Paldea sieht auch nicht gerade einladend aus.

Weit, weit weg… von gut.
Weit, weit weg… von gut. © Nintendo

Zu Beginn des Spiels klettern wir mit unserer Rivalin Nemila auf einen Aussichtspunkt, wobei sie von dichten Wäldern und saftigen Wiesen schwärmt - während in einer kurzen Montage Bilder von kahlen Landschaften zu sehen sind. Und das ist leider Programm. Personen, oder allgemein sich bewegende Dinge, in der Ferne verlieren schnell an Details und Schatten werden sehr spät geladen, was die ganze Welt flach aussehen lässt. In unseren gut zwanzig Stunden mit dem Spiel gab es immerhin keine Abstürze und die Framerate war auch passabel, zumindest im Handheld-Modus der Switch.

Pokémon Violet hat selbstverständlich auch gute Aspekte. Die Musik fetzt wie schon seit einer Weile nicht mehr und unter den neuen Pokémon hat es ebenfalls tolle Neuzugänge. Ausserdem ist die Geschichte angenehm erfrischend. Anstatt gegen eine Gruppe zu kämpfen, die die Welt auslöschen oder alle Pokémon klauen will, geht's gegen gesellschaftliche Aussenseiter, die sich gegen ihre Peiniger wehren wollen. Und die Auflösung um Peppers Motivation ist herzig.

Der Hoodie ist biz gross, nicht?
Der Hoodie ist biz gross, nicht? © Nintendo

Neuerungen wie die automatischen Kämpfe in der Wildnis sind ebenfalls gelungen und reduzieren sinnlosen Grind, weil man für eine Arena noch zu schwach ist. Das Terakristallisieren, bei dem Pokémon ihren Typ verstärken oder gar ändern können, ist eine nette Idee, sieht aber scheusslich aus. Zwar können Typ-technisch interessante Pokémon in Raids gezielt angegangen werden, doch die Raids sind etwa so spannend wie die in Pokémon Go - also nicht wirklich.

So scheitert Pokémon Violet fast komplett an seinen Ambitionen - und die sind nicht mal besonders hoch. Die miserable Technik und das schwache Open-World-Design machen sehr viel kaputt - und dennoch kann man mit diesem Spiel den klassischen Pokémon-Spass haben, den man sich gewohnt ist. Doch nach dem vielversprechenden Arceus ist Pokémon Violet leider ein rechter Schritt zurück.

Nicolas Nater [nna]

Nicolas schreibt seit 2013 für OutNow. Er moderiert seit 2017 zusammen mit Marco Albini den OutCast. Ausser für Geisterbahn-Horrorfilme, überlange Dramen und Souls-Games ist er filmisch wie spielerisch für ziemlich alles zu haben. Ihm wird aber regelmässig vorgeworfen, er hätte nichts gesehen.

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