Returnal (2021)

Returnal (2021)

PS5-Review: Long live Arcade!

3D Rogue Like im SciFi-Look
3D Rogue Like im SciFi-Look © Sony Interactive Entertainment

«Arcade ist tot» - so lautete 2017 der Titel eines Blog-Eintrags des finnischen Entwicklers Housemarque. Trotz sehr guter Kritiken reichten die Abverkäufe der Spiele nicht, um das Studio zu finanzieren. Zudem, stellt CEO Ilari Kuittinen fest, gehe der globale Spieletrend in Richtung Multiplayer mit grossen, aktiven Spielerschaften, sprich: Battle Royale. Es war ein trauriger Moment.

Housemarque ist ein ausgezeichneter Entwickler kleiner Spiele, deren Fokus auf Geschicklichkeit und frenetischem, extrem fein abgestimmtem Gameplay liegt. Das bekannteste ist wohl der Twin Stick Shooter Resogun, ein Launch-Spiel der PlayStation 4, das kostenlos mit dem PS-Plus-Abo zu haben war. Auch ihr nächstes Spiel, Nex Machina, sahnte überwiegend sehr gute Rezensionen ab. Die Spieler blieben jedoch fern, und so biederte sich Housemarque 2018 dem Mainstream an und stellte das Battle-Royal-Spiel «Stormdivers» vor.

Die Wende kam Anfang 2020. Kuittinen kündigte an, dass man Stormdivers vorerst auf Eis lege, um alle Ressourcen in ein geheimes Projekt zu stecken: ihr «grösstes und ambitioniertestes Spiel bis dato». Dieses Projekt heisst Returnal. Und es beweist, dass Arcade durchaus quicklebendig ist.

Ein nahezu perfektes Gameplay und eine - allen Unkenrufen zum Trotz! - zugängliche Spielstruktur machen aus Returnal ein überaus tolles Game. Die mysteriöse Sci-Fi-Geschichte rund um die Kosmonautin Selene bietet immer genügend Motivation für den nächsten «Run». Viel fehlt nicht für ein Meisterwerk, und vielleicht schafft es Housemarque, Returnal dahin zu patchen. Aktuell gibt es aber noch einige Stolpersteine wie die spielabbrechenden Bugs oder die fehlende Pausenfunktion. Nicht jeder hat Zeit für mehrstündige, nicht pausierbare Runs. Das trübt etwas den sonst ungemein guten Eindruck des Spiels.

Zahnhygiene mangelahft: Ein Bewohner des Planeten Atropos
Zahnhygiene mangelahft: Ein Bewohner des Planeten Atropos © Sony Interactive Entertainment

Hach, ist das «Game feel» gut! Die Waffen hören sich wuchtig an, die Bewegung geht innert Minuten in Fleisch und Blut über, und die Schiessmechanik fühlt sich an, als wären die finnischen Entwickler von Housemarque Veteranen im Shooter-Genre. Spielmechanisch ist Returnal etwas vom Feinsten in der aktuellen Spielelandschaft. Hier werden jede Sekunde viele Mikroentscheidungen getroffen, die dank einer ungemein direkten Steuerung sofort umgesetzt werden können. Dazu kommt eine austarierte Abwechslung zwischen hochintensiven Kämpfen und ruhigen Explorationsabschnitten, die für ein stimulierendes Auf und Ab des Adrenalinspiegels sorgt.

Die Struktur des Spiels verdient besondere Aufmerksamkeit. In seinem Kern steckt ein waschechter Rogue Like mit seinem zyklischen Ablauf, dem hohen Schwierigkeitsgrad und der zufallsgenerierten Spielwelt. Trotzdem ist in Returnal alles anders. Das beginnt damit, dass die Runs mehrere Stunden dauern können. Das dem Rouge Like inhärente «Komm', noch eine letzte Runde» will wohl überlegt sein, denn es stellt eine grosse zeitliche Verpflichtung dar. Dieser Umstand wird durch das Fehlen einer Pause-Funktion akzentuiert.

Das Gegner-Design ist zum Fürchten schön.
Das Gegner-Design ist zum Fürchten schön. © Sony Interactive Entertainment

In Returnal kann man die Runs nicht aussetzen und zu einem späteren Zeitpunkt fortführen (wie beispielsweise in Hades). Stattdessen müssen wir die PS5 in den Standbymodus versetzen, wenn wir zwischendurch etwas anderes machen müssen. Doch das ist eine unvollständige Lösung. Hat man nämlich die automatischen Updates der Konsole aktiviert, wird das Spiel bei der Installation eines Patches geschlossen und der Run wird unfreiwillig beendet. Selbiges gilt für die gelegentlich vorkommenden Spielabstürze, welche aber nach mehreren Patches deutlich seltener vorkommen als noch zu Beginn.

Da passt irgendwas nicht zusammen. Die lange Spieldauer schreit förmlich nach einer Möglichkeit, die Sitzung unterbrechen zu können. Dann wäre da noch die Sache mit den Abkürzungen. Haben wir einen Boss besiegt, müssen wir den in zukünftigen Versuchen nicht mehr angehen, sondern können stattdessen direkt zum Portal ins nächste Biom rennen und den verpassten Fortschritt via Item nachholen. Irgendwann kommt man innert fünf Minuten direkt vom Start ins dritte Biom oder weiter. Es scheint fast so, als seien dies behelfsmässige Lösungen, da die Runs länger dauern als anfänglich vom Entwickler vorgesehen.

Die kommen immer früher mit der Weihnachtsbeleuchtung.
Die kommen immer früher mit der Weihnachtsbeleuchtung. © Sony Interactive Entertainment

Dann wiederum helfen genau diese Strukturen den Genre unerfahrenen Spielern mit der Progression. Es öffnen sich regelmässig neue Wege, weshalb man regelmässig auch in frühen Abschnitten immer wieder etwas anderes erlebt. Dennoch sollte der erhöhte Schwierigkeitsgrad nicht unerwähnt bleiben. Wer bei bestimmten Flaschenhälsen nicht durch kommt, wird viel wiederholen müssen. Es gibt Hindernisse, die überwunden werden müssen, damit ein spürbarer Spielfortschritt entsteht. Unerfahrene Spieler müssen mit Frustration rechnen.

Es ist den Entwicklern von Housemarque sehr hoch anzurechnen, dass ihnen trotz diesen Unzulänglichkeiten nach wie vor ein hervorragendes Spiel gelungen ist. Returnal macht viele Kritikpunkte wett, weil sich das reine Spielen einfach so verdammt gut anfühlt. Regelmässig werden einem dann Story-Schnipsel entgegen geworfen, welche die Geschichte und die Spielwelt ausfleischen. So wird man immer wieder bei der Stange gehalten, falls mal das geniale Gameplay nicht ausreichen sollte.

Alejandro Garcia [ale]

Alejandro schreibt und redigiert im Games-Bereich seit 2009 für OutNow. Sein Einflussbereich ist die Konsole, wo er Militär-Shooter und Racer mit Erfolg vermeidet. Dafür verschlingt er alles, was FromSoftware ihm vorsetzt.

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