Den Schulstart hat sich unsere Hauptfigur anders vorgestellt. Kaum im beschaulichen Städtchen Iwatodai angekommen, muss er - oder wahlweise sie - feststellen, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Schlag Mitternacht beginnt hier nämlich die «Dark Hour», die 25. Stunde des Tages. Die Welt verwandelt sich dann in eine düstere Version ihrer selbst und finstere Ungeheuer treiben ihr Unwesen. Unsere Schule wird zu einem völlig verschachtelten Turm - dem Tartarus. Die meisten Menschen kriegen davon nichts mit - unser Hauptcharakter aber schon. Darum schliessen wir uns einem Geheimbund von Schülern an, die über spezielle Fähigkeiten verfügen, um dem Grauen Einhalt zu gebieten.
Die Persona-Reihe führte in Europa lange Zeit ein Nischen-Dasein. Mit Persona 4 und vor allem Persona 5 ist die Rollenspielreihe aber endgültig auch in den hiesigen Gefilden angekommen. Heute erfreut sich der kunterbunte Mix aus Rollenspiel und Sozial-Simulation grosser Beliebtheit. Mit Persona 3 Portable liegt nun ein Remaster von Persona 3 vor, der 2006 für die PS2 erschienen ist. Die Entwickler haben jedoch nicht das Ur-Spiel, sondern einen simplifizierten PSP-Port als Basis für den Remaster genommen. Leider.
Für all diejenigen, die seinerzeit Persona 3 Portable verpasst haben, kriegen jetzt eine gute Möglichkeit, den Kultklassiker nachzuholen. Obwohl die schräge aber packende Story, das spassige Kampfsystem und die funky Musik nichts von ihrer Faszination eingebüsst haben, verliert das Spiel wegen seiner Portable-Wurzeln leider stark an Reiz im Gameplay-Bereich. Ein Blick ist es aber allemal wert. Nicht nur für Nostalgiker.
Persona 3 Portable ist ein wilder Genre-Mix. Tagsüber führt man mehr oder weniger ein normales Schülerleben, nimmt am Unterricht teil und verbringt seine Freizeit mit Freunden bei verschiedenen Aktivitäten. Kino, Spielhalle, Nebenjob - wir haben die Qual der Wahl. Die einzelnen Aktivitäten bringen verschiedene Boni mit sich. Einige füllen das Konto auf, andere verstärken unsere Bindung zu den Freunden, was sich wiederum auf deren Stärke in den Kämpfen auswirkt. In der Nacht, während der Dark Hour, verwandelt sich das Spiel zu einem waschechten Dungeon-Crawler. Stock für Stock erklimmen wir den labyrinth-artigen Tartarus, bekämpfen Gegner in rundenbasierten Kämpfen und nutzen unsere verschiedenen Persona - quasi beschwörbare Dämonen - um mit speziellen Angriffen ordentlich zuschlagen zu können.
Die Story und das Figurenpersonal sind - typisch für die Reihe - ziemlich schräg. Mit zunehmender Spielzeit entwickelt Persona 3 Portable aber seinen klassischen Persona-Sog, der Spielerinnen und Spieler tiefer in die abgefahrene Welt zieht und einem auch die Figuren ans Herz wachsen lässt. Im Gegensatz zu seinen beiden Nachfolgern ist Persona 3 Portable aber deutlich düsterer und ernster. Auch heikle Themen wie Suizid werden thematisiert - und auch visualisiert. Im Kampf beispielsweise schiesst sich unsere Heldentruppe mit Pistolen in die Rübe, um dadurch Spezialattacken auszulösen.
Beim Spielen müssen wir den Kalender stets im Auge behalten. Denn die Spielzeit erstreckt sich über die einzelnen Tage eines ganzen Schuljahrs. Aber keine Bange, Zeitdruck gibt es nicht. Ressourcen-Management ist trotzdem gefragt. An einem Schultag können wir nur eine bestimmte Anzahl Aktivitäten unternehmen. Zudem finden gewisse Events nur an bestimmten Tagen statt und in regelmässigen Abständen müssen wir im Tartarus ein vorgegebenes Stockwerk erreichen und den Boss plätten. Haben wir das Grinding verschlafen, kann's sehr ärgerlich werden. Glücklicherweise bietet das Spiel verschiedene Schwierigkeitsgrade, die sich auch während des Durchgangs laufend wechseln lassen.
Wer Persona 3 noch aus PS2-Zeiten kennt, dürfte beim Zocken dieses Remasters erschrecken. Denn statt des Original-Spiels haben die Entwickler die PSP-Portierung als Basis für den Remaster genommen. Und der spielt sich drastisch anders. Konnte man sich in der Ur-Fassung frei in allen Umgebungen herumbewegen und so die Schule, Einkaufszentren und dergleichen nach Lust und Laune erkunden, werden in Persona 3 Portable alle Gebiete ausserhalb des Tartarus als statische Hintergründe angezeigt. Man bewegt einen Cursor über die jeweiligen Gebiete und wählt so seine Aktivitäten wie Einkaufen oder mit Charakteren plaudern via Knopfdruck aus. Die zahlreichen Gespräche werden in Form einer Visual Novel dargestellt.
Einzig im äusserst weitläufigen Tartarus, den man über das ganze Spieljahr hinweg Etage für Etage erklimmt, kann man seinen Charakter frei bewegen. Im Gegensatz zum PS2-Original bietet sich dafür in Persona 3 Portable bei Spielbeginn nun auch die Möglichkeit, einen weiblichen Charakter auszuwählen, der einige neue Storypunkte und Interaktionen mit sich bringt.
Technisch sieht man dem Spiel sein Alter und seine Herkunft natürlich an. Grafik, Charakterdesign und Texturen sind veraltet, Animationen sehr rudimentär. Nach wie vor begeistern kann der passend-verschrobene Soundtrack, der mal funky, mal jazzig daherkommt. Die sehr gelungene Sprachausgabe liegt in Japanisch oder Englisch vor. Die Texte hingegen wurden auch ins Deutsche übersetzt.
Chris Bucher [chb]
Chris ist ein Luzerner Filmemacher, Journalist und leidenschaftlicher Gamer. Er mag alles, was mit Horror zu tun hat. Seine Devise lautet: Je morbider, desto besser. Für OutNow schreibt er seit 2019 regelmässig Reviews. Er hat eine Schwäche für alte Dinosaurierfilme.